Resilienz aufbauen

Das Leben bringt unweigerlich Herausforderungen mit sich: Verluste, Enttäuschungen, Krisen. Manche Menschen scheinen solche Schwierigkeiten besser zu bewältigen als andere. Sie biegen sich, aber sie brechen nicht. Diese Fähigkeit, Widrigkeiten zu überstehen und gestärkt daraus hervorzugehen, nennt man Resilienz. Die erfreuliche Nachricht ist, dass Resilienz keine angeborene Eigenschaft ist, sondern entwickelt werden kann.

Der Begriff stammt vom lateinischen Wort für «Zurückspringen». Er beschreibt die Fähigkeit eines Materials, nach einer Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren. Übertragen auf den Menschen bedeutet Resilienz jedoch mehr als nur Erholung. Resiliente Menschen wachsen oft an ihren Herausforderungen und entwickeln sich weiter. Sie finden Sinn auch in schwierigen Erfahrungen.

Die Säulen der Resilienz

Forschungen haben verschiedene Faktoren identifiziert, die resiliente Menschen auszeichnen. Einer der wichtigsten ist die Akzeptanz: die Fähigkeit, die Realität anzunehmen, wie sie ist, statt dagegen anzukämpfen oder sie zu leugnen. Das bedeutet nicht, alles gutzuheissen, sondern anzuerkennen, was nicht geändert werden kann, und die Energie auf das zu richten, was beeinflussbar ist.

Optimismus ist ein weiterer Schlüsselfaktor, jedoch nicht der naive Glaube, dass alles gut wird. Es ist vielmehr das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, mit Schwierigkeiten umzugehen, und die Überzeugung, dass auch schwere Zeiten vorübergehen. Dieser realistische Optimismus gibt Kraft zum Durchhalten und ermöglicht es, Chancen zu erkennen, die in jeder Krise verborgen liegen.

Resilienz bedeutet nicht, keine negativen Gefühle zu haben oder immer stark zu sein. Auch resiliente Menschen trauern, haben Angst und fühlen sich manchmal überwältigt. Der Unterschied liegt darin, wie sie mit diesen Gefühlen umgehen und wie schnell sie sich erholen.

Soziale Verbindungen

Menschen sind soziale Wesen, und unsere Beziehungen sind ein entscheidender Faktor für Resilienz. Ein stabiles Netz von Menschen, denen wir vertrauen und auf die wir zählen können, macht einen enormen Unterschied in Krisenzeiten. Diese Verbindungen müssen gepflegt werden, in guten Zeiten, damit sie in schweren Zeiten tragen.

Dabei geht es nicht nur darum, Unterstützung zu erhalten, sondern auch darum, sie zu geben. Anderen zu helfen stärkt das eigene Wohlbefinden und die Resilienz. Es gibt uns das Gefühl von Sinn und Bedeutung und erinnert uns daran, dass wir etwas beitragen können, auch wenn wir selbst Schwierigkeiten haben. Diese Wechselseitigkeit macht Beziehungen stark und tragfähig.

Selbstwirksamkeit entwickeln

Selbstwirksamkeit ist die Überzeugung, dass wir durch unser Handeln etwas bewirken können. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit geben nicht so schnell auf, wenn es schwierig wird. Sie sehen Probleme als Herausforderungen, nicht als Bedrohungen. Diese Überzeugung entwickelt sich durch Erfolgserlebnisse, auch kleine.

Es kann hilfreich sein, sich bewusst Ziele zu setzen und sie zu erreichen, auch wenn sie zunächst bescheiden sind. Jeder Erfolg stärkt das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Dinge zu bewältigen. Dabei ist es wichtig, sich nicht mit anderen zu vergleichen, sondern den eigenen Fortschritt zu sehen. Kleine Schritte summieren sich mit der Zeit zu grossen Veränderungen.

Mit Emotionen umgehen

Resiliente Menschen haben gelernt, ihre Emotionen zu regulieren. Das bedeutet nicht, sie zu unterdrücken, sondern sie wahrzunehmen, anzunehmen und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Schwierige Gefühle wie Trauer, Wut oder Angst sind normale Reaktionen auf schwierige Situationen. Sie zu fühlen ist gesund und notwendig für die Verarbeitung.

Gleichzeitig ist es wichtig, nicht von Gefühlen überwältigt zu werden. Techniken wie tiefes Atmen, Achtsamkeit oder körperliche Bewegung können helfen, intensive Emotionen zu regulieren. Mit der Zeit entwickelt sich ein innerer Beobachter, der Gefühle wahrnimmt, ohne sich völlig mit ihnen zu identifizieren. Diese Distanz ermöglicht klügere Reaktionen.

Sinn und Bedeutung finden

Menschen, die in ihrem Leben einen Sinn sehen, sind resilienter. Sinn kann aus vielen Quellen kommen: aus der Arbeit, aus Beziehungen, aus spiritueller oder religiöser Praxis, aus dem Engagement für eine Sache. Wichtig ist, dass es etwas gibt, das über das eigene unmittelbare Wohlbefinden hinausgeht und dem Leben Richtung gibt.

Selbst in den schwierigsten Situationen lässt sich oft Sinn finden. Victor Frankl, der die Konzentrationslager überlebte, beschrieb eindrücklich, wie die Suche nach Sinn selbst im grössten Leiden Kraft geben kann. Das bedeutet nicht, Leid zu verherrlichen, sondern auch in dunklen Zeiten nach dem Licht zu suchen, das sie erhellen kann.

Resilienz als Lebensweg

Resilienz entwickelt sich nicht über Nacht. Sie wächst durch die Bewältigung von Herausforderungen, durch bewusste Arbeit an sich selbst und durch die Pflege dessen, was uns stärkt. Jede überstandene Schwierigkeit kann das Vertrauen stärken, dass wir auch künftige Probleme meistern werden. So wird Resilienz zu einer sich selbst verstärkenden Kraft.

Das bedeutet nicht, Probleme zu suchen oder Krisen willkommen zu heissen. Es bedeutet, die Herausforderungen, die das Leben bringt, als Wachstumsmöglichkeiten zu sehen. Mit dieser Haltung wird das Leben nicht leichter, aber wir werden fähiger, mit seinen Schwierigkeiten umzugehen. Und oft sind es gerade die überwundenen Krisen, die uns am meisten prägen und wachsen lassen.