Innere Ruhe ist ein Zustand, nach dem sich viele Menschen sehnen. In einer Welt voller Ablenkungen, Anforderungen und ständiger Erreichbarkeit scheint sie manchmal unerreichbar. Doch Gelassenheit ist keine Charaktereigenschaft, die man hat oder nicht hat. Sie ist eine Fähigkeit, die entwickelt und kultiviert werden kann. Der Weg dorthin beginnt mit kleinen Schritten.
Innere Ruhe bedeutet nicht, keine Gefühle mehr zu haben oder gleichgültig zu werden. Sie bedeutet vielmehr, einen stabilen Grund in sich zu finden, von dem aus wir auch stürmische Zeiten überstehen können. Wie ein Baum, der sich im Wind biegt, aber nicht bricht, weil seine Wurzeln tief reichen. Diese Verwurzelung in uns selbst zu entwickeln ist das Ziel.
Die Stille in uns entdecken
Unter dem ständigen Gedankenstrom und den wechselnden Emotionen gibt es einen Ort der Stille in uns. Meditation ist einer der direktesten Wege, diesen Ort zu finden. Dabei geht es nicht darum, keine Gedanken mehr zu haben, sondern sie kommen und gehen zu lassen, ohne sich in ihnen zu verlieren. Mit Übung wird es möglich, diese Stille auch mitten im Alltag zu spüren.
Es braucht keine langen Sitzungen in Lotusstellung. Schon wenige Minuten täglich können einen Unterschied machen. Man kann mit einfachen Atemübungen beginnen: Den Atem beobachten, wie er kommt und geht, ohne ihn zu kontrollieren. Diese Aufmerksamkeit auf etwas so Einfaches wie den Atem beruhigt den Geist und bringt uns in den gegenwärtigen Moment.
Innere Ruhe ist weniger etwas, das wir erschaffen müssen, als etwas, das wir freilegen. Sie ist bereits da, verdeckt von Gedanken, Sorgen und Ablenkungen. Die Praxis besteht darin, immer wieder in diese Ruhe einzutauchen, bis sie uns vertrauter wird als die Unruhe.
Die Kunst des Loslassens
Vieles von dem, was uns die Ruhe raubt, ist Festhalten: an Erwartungen, an Kontrolle, an der Vorstellung, wie die Dinge sein sollten. Loszulassen bedeutet nicht, aufzugeben oder gleichgültig zu werden. Es bedeutet, anzunehmen, was ist, und mit dem zu arbeiten, was wir tatsächlich beeinflussen können. Der Unterschied zwischen beidem ist fundamental.
Die antiken Stoiker hatten dafür eine hilfreiche Unterscheidung: Es gibt Dinge, die in unserer Macht stehen, und Dinge, die es nicht tun. Unsere Reaktionen, unsere Haltungen, unsere Entscheidungen, das liegt bei uns. Das Verhalten anderer Menschen, das Wetter, die Vergangenheit, das liegt nicht bei uns. Energie auf Letzteres zu verschwenden raubt uns die Ruhe.
Achtsamkeit im Alltag
Achtsamkeit bedeutet, vollständig präsent zu sein bei dem, was wir gerade tun. Nicht mit den Gedanken in der Vergangenheit oder der Zukunft, sondern hier und jetzt. Diese Präsenz kann in jeden Moment gebracht werden: beim Essen, beim Gehen, beim Gespräch, bei der Arbeit. Es erfordert keine zusätzliche Zeit, nur eine andere Art der Aufmerksamkeit.
Die meiste innere Unruhe entsteht durch Gedanken über Vergangenes, das wir nicht ändern können, oder Zukünftiges, das noch nicht eingetreten ist. Im gegenwärtigen Moment, so wie er gerade ist, ist oft gar kein Problem. Diese Erkenntnis kann tiefe Ruhe bringen: Jetzt, in diesem Augenblick, bin ich in Ordnung. Der Moment ist handhabbar, auch wenn das grosse Ganze überwältigend erscheint.
Natürliche Unterstützung
Die Natur hat Pflanzen hervorgebracht, die das Nervensystem sanft beruhigen können. Lavendel wirkt entspannend und kann als Tee, ätherisches Öl oder in der Badewanne verwendet werden. Passionsblume hilft bei nervöser Unruhe und Einschlafproblemen. Melisse kombiniert beruhigende mit aufheiternden Eigenschaften. Diese Pflanzen sind keine Wundermittel, aber sie können den Weg zur inneren Ruhe unterstützen.
In der Homöopathie werden je nach individueller Situation verschiedene Mittel eingesetzt. Chamomilla kann bei reizbarer Unruhe helfen, Coffea bei Gedankenkarussell und Übererregung, Ignatia bei emotionaler Anspannung. Die Wahl des passenden Mittels erfordert eine genaue Betrachtung der individuellen Symptome und sollte mit einem erfahrenen Homöopathen besprochen werden.
Die Umgebung gestalten
Unsere äussere Umgebung beeinflusst unsere innere Verfassung. Ein aufgeräumter, harmonischer Raum kann zur Ruhe beitragen, während Unordnung und Überladung Unruhe fördern. Es lohnt sich, die eigenen Lebensräume bewusst zu gestalten: Weniger kann oft mehr sein. Pflanzen, natürliche Materialien und gedämpfte Farben schaffen eine beruhigende Atmosphäre.
Auch die Medienumgebung verdient Aufmerksamkeit. Ständige Erreichbarkeit, der Strom von Nachrichten und sozialen Medien, das permanente Flimmern von Bildschirmen, all das hält das Nervensystem in Alarmbereitschaft. Bewusste Zeiten der Medienruhe, fest eingeplant im Tag, können Wunder wirken. Das Smartphone muss nicht der erste und letzte Griff des Tages sein.
Die Reise zur Gelassenheit
Innere Ruhe zu finden ist kein Projekt mit einem klaren Endpunkt, sondern ein fortlaufender Prozess. Es wird Tage geben, an denen es leichter fällt, und Tage, an denen alles in Aufruhr scheint. Das ist normal und gehört dazu. Wichtig ist, immer wieder zu beginnen, ohne sich selbst zu verurteilen, wenn es nicht sofort gelingt.
Mit der Zeit wird die innere Ruhe stabiler. Sie wird zu einem Ort, an den wir jederzeit zurückkehren können, auch mitten im Trubel. Dieser innere Anker gibt Kraft und Orientierung, auch wenn aussen alles unsicher scheint. Er ermöglicht es, gelassener auf Herausforderungen zu reagieren und klarer zu sehen, was wirklich wichtig ist. Diese Gelassenheit ist keine Flucht aus dem Leben, sondern ein tieferes Eintauchen hinein.